Ein Eindruck aus dem Urlaub lässt mich über das Thema Absturzsicherung nachdenken. In den letzten Monaten waren wir viel im Ausland unterwegs. Dabei ist mir aufgefallen, dass das Thema Absturzsicherung nicht überall denselben Stellenwert hat wie in Deutschland – zumindest ist das mein persönlicher Eindruck.
Ein besonders eindrückliches Erlebnis hatten wir mit einer großen Kindergruppe – einer ganzen Sportmannschaft – in Barcelona. Alle Kinder zwischen acht und zehn Jahren waren voller Energie: sie rannten, kletterten, sprangen. Und plötzlich standen wir vor einer Situation, die mir als Architektin beinahe die Luft abgeschnitten hat: Eine niedrige Mauer – etwa 30 cm hoch, gerade so, dass ein Kleinkind mühelos darauf steigen konnte. Dahinter verlief die Mauer leicht ansteigend, sodass ein Kind ohne viel Aufwand immer höher hinaufklettern konnte – bis es am Ende in rund drei Metern Höhe über der Straße stand. Kein Geländer. Nur entsetzte Eltern, die von unten riefen: „Komm sofort da runter!“
Und so was ähnliches haben wir so oft erlebt. Solche Momente haben mich irgendwie immer sehr mitgenommen. Aber dann kam auch irgendwann der Gedanke: „Du bist nicht in Deutschland.“ Aber was bedeutet das eigentlich?
In meinem Berufsalltag bin ich es gewohnt, bei jeder Planung die Sicherheit der Nutzer\:innen mitzudenken. Es gehört zu meiner Verantwortung, an Gefahrenstellen zu denken, bevor überhaupt jemand daran vorbeiläuft – geschweige denn ein Kind dort herumklettert. Und manchmal frage ich mich, ob wir durch all diese Sicherheitsmaßnahmen vielleicht auch ein Stück Eigenverantwortung verlernen. Oder andersherum: Wie viel Sicherheit ist notwendig, wie viel Selbstverantwortung zumutbar – und wie hängt das mit unserem kulturellen Verständnis von Raum, Risiko und Verantwortung zusammen?
✅ Hier sind ein Paar technische Tipps: Wann ist eine Absturzsicherung notwendig – und wie sollte sie aussehen?
In Deutschland regelt die DIN 18065 (für Treppen) sowie die Musterbauordnung (Landesbauverordnung), ab wann Absturzsicherungen erforderlich sind. Einige wichtige Grundlagen:
1. Wann ist eine Absturzsicherung erforderlich?
* einer Absturzhöhe von 1,00 m ist grundsätzlich eine Sicherung erforderlich.
* In öffentlich zugänglichen Bereichen oder bei der Nutzung durch Kinder (z. B. Schulen, Spielplätze, Sportstätten) kann bereits ab 60 cm eine Sicherung notwendig sein – vor allem, wenn ein erhöhtes Risiko besteht.
* Auch geneigte Flächen (wie Mauern oder Rampen), die leicht bekletterbar sind und zu einem möglichen Absturz führen können, müssen je nach Nutzungskontext gesichert werden.
2. Anforderungen an Geländer und Brüstungen
Geländerhöhe:
* Mindestens 90 cm bei Absturzhöhen bis 12 m.
* 110 cm bei höheren Absturzhöhen oder öffentlichen Bereichen.
* Füllungen: dürfen nicht zum Klettern einladen – keine horizontalen Streben, sondern idealerweise vertikale Stäbe oder geschlossene Flächen.
* Maximaler Abstand zwischen Stäben oder Öffnungen: 12 cm, damit Kleinkinder nicht hindurchrutschen oder sich einklemmen können.
3. Wann ist ein Handlauf an Treppen vorgeschrieben?
Nach DIN 18065 (Gebäudetreppen) und Musterbauordnung (Landesbauverordnung):
Pflicht für Handläufe:
· Sobald mehr als 3 Stufen vorhanden sind (= mehr als 3 Steigungen), ist mindestens ein Handlauf erforderlich.
· Bei Treppen mit einer nutzbaren Breite über 1,50 m:
beidseitige Handläufe sind vorgeschrieben.
· Bei öffentlichen Gebäuden (z. B. Schulen, Behörden, Sportstätten) oder barrierefreien Zugängen:
ebenfalls beidseitige Handläufe, unabhängig von der Breite.
Ausnahmen:
· Bei reinen Wohngebäuden mit maximal zwei Wohnungen kann einseitiger Handlauf genügen.
· Kurze Außentreppen (z. B. Gartenstufen mit weniger als 4 Stufen) sind oft nicht handlaufpflichtig, aber aus Sicherheitsgründen trotzdem empfehlenswert – besonders bei älteren Menschen oder Kindern.
Technische Anforderungen an Handläufe
· Durchgehend und gut greifbar (Ø ca. 3–4,5 cm)
· Höhe: ca. 85–90 cm über der Stufenvorderkante (bei barrierefreien Wegen: Handläufe auf zwei Höhen → ca. 60 cm für Kinder oder Rollstuhlfahrer:innen)
· Handlaufenden müssen abgerundet oder zur Wand geführt werden, um Verletzungsrisiken zu vermeiden
· Nicht zu nah an der Wand: min. 5 cm Abstand
· Bei offenen Treppen müssen Handläufe zusätzlich zur Absturzsicherung ausgebildet sein.
4. Planungshinweis
* Absturzsicherungen müssen mechanisch stabil und visuell deutlich erkennbar sein – insbesondere bei Glas oder transparenten Materialien.
* Im Bestand können bei Umbauten oder geänderter Nutzung Nachrüstpflichten entstehen.
* Auch die Barrierefreiheit sollte mitgedacht werden: z. B. durch durchgängige Handläufe in zwei Höhen.
✅ Was du aus diesem Beitrag mitnehmen kannst
👉 Achte im Alltag bewusst auf potenzielle Gefahrenstellen – besonders dort, wo Kinder oder ältere Menschen unterwegs sind. Auch niedrige Mauern oder geneigte Flächen können ein Risiko sein.
👉 Wenn du selbst baust oder planst (ob privat oder beruflich), denk nicht erst bei drei Metern an Absturzsicherung – schon ab 60 cm kann es kritisch werden, je nach Nutzung.
👉 Handläufe an Treppen sind keine lästige Pflicht, sondern ein einfaches Mittel, um Stürze zu vermeiden – auch bei wenigen Stufen.
👉 Vertraue nicht darauf, dass jede Umgebung automatisch sicher ist. Besonders im Ausland oder im Bestand kann es sinnvoll sein, den Blick zu schärfen – für dich selbst und für andere.
Sicherheit beginnt nicht erst bei der Norm – sondern oft beim bewussten Hinschauen.
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